Was in der Pflege Probleme bereitet - und wie die Politik helfen könnte
Caritas-Vorstand Bettina Wiebers (rechts), Regionalleiterin Julia Kersten (links) und CSS-Leiter Reinhard Mehn (2. von rechts) im Arbeitsgespräch mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Hans-Jürgen Thies (2. von links)Foto: Marcus Bottin
Der Berliner Politiker war einer Einladung in die Sozialstation Rüthen gefolgt, um sich vor Ort über größere Probleme und kleinere Fallstricke in der täglichen Arbeit des Caritas-Verbandes zu informieren. Die Caritas-Verantwortlichen wollten aber nicht nur auf Missstände hinweisen, sondern gaben Hans-Jürgen Thies auch gleich Vorschläge mit auf den Weg, wie der Dienst am Menschen für die Caritas und andere Wohlfahrtsverbände erleichtert werden könnte - und was die Politik dafür tun kann.
Ein großer Wunsch an Hans-Jürgen Thies: Weniger Bürokratie
Zum Beispiel beim Thema Bürokratieabbau. Die Wege, die pflegebedürftige Menschen nach der Verordnung durch ihren Arzt zu bewältigen haben, sind umständlich und zeitraubend - und oft müssen Pflegedienste dabei unterstützend eingreifen. Das kostet Geld und Zeit, die dann für die pflegerische Versorgung der Patienten fehlt.
Wenn im geplanten neuen Digitale-Versorgung-Gesetz die Möglichkeit der E-Verordnung verankert würde, könnten mindestens 18.000 Hilfesuchende, die Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege benötigen, mehr versorgt werden - oder 1200 Pflegefachkräfte mehr könnten sich um ihre eigentlichen Aufgaben kümmern, statt sich mit vermeidbaren Verwaltungsvorgängen zu beschäftigen. Bettina Wiebers kritisiert den gewaltigen bürokratischen Aufwand deutlich: "Es läuft was schief im System. Und durch Digitalisierung lässt sich einiges gerade rücken. Damit Pflegekräfte mehr Zeit für ihre Arbeit haben und sich um die Menschen kümmern können."
E-Verordnung brächte viele Erleichterungen
Julia Kersten ergänzt: "Auch für Krankenkassen brächte die E-Verordnung eine Erleichterung -- und für die Patienten sowieso. Dazu kommt der Geschwindigkeitsvorteil: Wenn der Pflegebedürftige aus dem Krankenhaus kommt, muss er sofort versorgt werden." Hans-Jürgen Thies signalisierte Verständnis: "Ja, da liegt Vieles im Argen und da müssen wir etwas tun. Wir leben schließlich im 21. Jahrhundert."
Ein heißes Thema sind auch Pflegefachkräfte. Bettina Wiebers erläuterte: "Wir beschäftigen ca. 850 Mitarbeiter in der Pflege, und davon sind rund die Hälfte Pflegefachkräfte. Aber es fehlt trotzdem an Fachkräften." Eine Ursache dafür seien Chancenungleichheiten im Wettbewerb - hervorgerufen auch durch das Pflegepersonal-Stärkungsgesetzt, das Krankenhäuser und stationäre Pflegeeinrichtungen fördert, und so die ambulante Pflege bedroht. "Der Kampf um die Pflegekräfte ist real", gibt Bettina Wiebers offen zu. "Krankenhäuser haben eine deutlich stärkere Lobby und können uns die Pflegefachkräfte abgraben - einfach, weil sie mehr bezahlen können. Es gibt im Ruhrgebiet Kopfprämien für angeworbene Pflegefachkräfte. 15000 Euro sind keine Seltenheit."
Die Pflege positiver darstellen
Die Caritas versucht derweil, mit verstärkten PR- und Werbemaßnahmen dem Pflegenotstand zu begegnen, denn das Berufsfeld hat ein Imageproblem. "Wir bemühen uns, die Pflege positiver darzustellen", erläutert Bettina Wiebers. "Die Diskussionen vor eineinhalb oder zwei Jahren haben uns mehr geschadet als genutzt. Pflege wurde in einem sehr negativen Bild in der Öffentlichkeit behandelt." Und das völlig zu Unrecht, wie Julia Kersten ergänzt: "Denn die Pflege ist ein Job mit Zukunft und Perspektive."
Wie man denn jungen Menschen diese Karrieremöglichkeiten aufzeigen könne, wollte Hans-Jürgen Thies wissen. Dazu Julia Kersten: "Indem man noch stärker auf die Möglichkeit fachlicher Spezialisierungen hinweist. Zudem gibt es auch immer die Chance, in Führungspositionen aufsteigen." Bettina Wiebers stimmte ihr zu: "Wir sind da schon auf einem ganz guten Weg", und verwies auf die Ausbildungsoffensive Pflege samt großer Kampagne zu den neuen Pflegeausbildungen, die Anfang nächsten Jahres bundesweit starten.
Auch Pflegehilfskräfte werden dringend benötigt
Dabei dürfe ein weiterer Aspekt nicht vergessen werden: Es werden auch Pflegehilfskräfte dringend benötigt. Nicht alle jungen Menschen besitzen die Fähigkeiten für die dreijährige Ausbildung, aber für den Erwerb einer Helferqualifikationen sind viele durchaus geeignet. Diese Qualifizierungen, so Bettina Wiebers, seien allerdings noch Sache der Länder und bei den neuen Pflegeausbildungen leider bisher außen vor. "Da wäre eine einheitliche Regelung sehr wünschenswert. Denn es gibt ein großes Potenzial, das noch nicht genutzt wird."
Für eine Aufwertung der Helferqualifizierung macht sich auch Reinhard Mehn stark. Er sagt: "Ich bin überzeugt, dass mit ein paar Jahren Erfahrung bestimmt einige junge Menschen mit schwieriger Biografie die Ausbildung zur Pflegefachkraft schaffen können. Da gibt es bereits positive Beispiele auch ganz konkret in unserer Einrichtung."