Hultrop. Zum Schuljahr 2014/2015 soll die Inklusion in den Regelschulen umgesetzt werden, d. h. Kinder mit Handicaps können ab diesem Zeitpunkt gemeinsam mit Kindern ohne Handicaps unterrichtet werden. Die Eltern können, ja müssen darüber entscheiden. Um ihnen nun einen stabilen Wissensstand zu geben, fand am Dienstag im St.-Barbara-Kindergarten, der Integrativen Heilpädagogischen Tagesstätte der Caritas in Hultrop, ein Elternabend statt, zu dem Franz-Josef Berntzen (Einrichtungsleiter) kompetente Schulleiter als Gesprächspartner eingeladen hatte: Cornelia Düchting (Förderschule mit dem Schwerpunkt motorische Entwicklung), Thomas Feldmann (Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung), die Leiterin einer Regelschule im benachbarten Kreis Warendorf sowie Susanne Kresing, Leiterin der Ludgerus-Grundschule Lippborg.
Sie stellten sich zum Thema „Inklusion in Regelschulen“ den Fragen der Eltern: (v. l.) Franz-Josef Berntzen, Claudia Düchting, Thomas Feldmann und Susanne Kresing. Foto: Caritas
Dass Berntzen mit diesem Elternabend einen Nerv getroffen hat, bewies die große Zahl der Zuhörer, für die die Turnhalle zum Vortragsraum umfunktioniert worden war. In der "ersten Runde", in der die Schulleiter ihre Einrichtungen vorstellten, war ein roter Faden zu erkennen: Alle waren Anfangs von der Idee der Inklusion durchaus angetan, entdeckten aber bald einen entscheidenden Nachteil, den Thomas Feldmann so zusammenfasste: "Natürlich kommt es immer auf die Menschen darauf an. Aber der Gesetzgeber hat die Rahmenbedingungen nicht optimal geschaffen." Eine Einstellung, die Susanne Kresing, an deren Schule seit Sommer 2013 erste Erfahrungen mit der Inklusion gesammelt werden, noch zuspitzt: "Der Besuch in der Regelschule bringt enorme Belastungen für die Kinder selbst, für alle Kinder, für das Kollegium und für die Eltern. Ja, ich sehe große Chancen in der Inklusion. Aber man muss jedes einzelne Kind sehen. Manchmal sind Kinder in kleinen Gruppen, wie sie Förderschulen bieten, besser aufgehoben." Cornelia Düchting aus Oelde ist sich mit ihren Kollegen einig: "Die Rahmenbedingungen für das gemeinsame Lernen müssen gegeben sein. Und es geht immer um das Wohl des einzelnen Kindes."
Die Gäste stellten ihre Schulen kurz und präzise vor, da blieb viel Zeit für die Fragen der Eltern. Was hat es mit dem Verfahrenzur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs (AO-SF) auf sich, wie können sich Eltern der Dienste eines Integrationshelfers sichern, kann ein Kind mit Handicap den offenen Ganztag besuchen, welche Rechte haben Eltern überhaupt bei der Entscheidung, welche Schule für ihr Kind gut ist und wie sind diese Informationen zu erlangen?" Da waren sich die Gäste einig: "Nutzen Sie die Tage der offenen Tür, sammeln Sie alle Informationen, oder lassen Sie Ihr Kind zwei bis drei Wochen am Probeunterricht teilnehmen." Nach dem neuen Schulgesetz entscheiden die Eltern. Wollen sie ihr Kind in eine Förderschule schicken, müssen sie das AO-SF-Verfahren beantragen. Susanne Kresing: "Sie müssen sich immer die Frage stellen: Wo hat mein Kind die besten Chancen? Und fragen Sie sich auch mal bei der Benotung in der Regelschule, von der der Kinder mit bestimmter geistiger Behinderung ausgenommen sind: Was empfindet ein Kind, dass es keine Benotung bekommt?"
Am Ende des Abends nahmen sich die Referenten und auch Franz-Josef Berntzen die Zeit, ein Vorurteil in den Köpfen abzubauen: " Früher hieß es: einmal Förderschule - immer Förderschule. Das ist nicht mehr so", führte Thomas Feldmann aus. "Alle ist sehr, sehr durchlässig geworden." Von der Förderschule in die Regelschule, dieser Wechsel ist ebenso möglich wie umgekehrt, "Man muss immer auf das Kind gucken, wie hat es sich entwickelt, was braucht es?"
Zur aktuellen Frage, wie dem Kind ein Integrationsassistent für den offenen Ganztag am Nachmittag zur Seite gestellt werden kann, hatte Franz-Josef Berntzen einen handfesten Rat: "Gehen Sie zum Bürgermeister und fordern Sie die Unterstützung der Kommune. Wenn die Politiker wollen, dass die Inklusion gelebt wird, dann muss Geld fließen.